Fachtagung Mai 2006

Fachtagung: „Hirnforschung und rechtliche Verantwortung“
(19.-20. Mai 2006, Universität Bern)

Die Schweizerische Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (SVRSP) führt jedes Jahr eine fachwissenschaftliche Tagung bzw. einen publikumsorientierten Kongress durch, um als Unterorganisation der Internationalen Vereinigung für die Rechtsphilosophie (IVR) zur Förderung der Rechts- und Sozialphilosophie beizutragen.

Mit der fachwissenschaftlichen Tagung „Gehirnforschung und rechtliche Verantwortung“ wurde (nach unsrer Kenntnis) erstmals seitens der Rechtswissenschaft das Thema aufge-griffen, das bislang zwischen den Neurowissenschaften (zB. Roth, Prinz, Singer) und den Philosophen (zB. Bieri, Wingert, Krohs, Habermas, Heintel) geführt wurde. Diese Diskussion betrifft fundamentale gesellschafts- und rechtspolitische Fragen, die die Rechtswissenschaft, vorweg das Strafrecht, interessieren muss.

Der bisherige Diskurs wurde weitgehend von der Hirnforschung bestimmt, indem sie den übrigen Wissenschaften mitteilte, wie sich die gehirnphysiologisch bedingte Wirklichkeit aus ihrer Sicht darstelle. Gleichzeitig betonte sie, dass das Menschen- und Gesellschaftsbild dadurch neu konstituiert würde.

Diese Ausgangslage lässt sich in den Grundzügen mit einer bereits betreffend die Neugestaltung der Anthropologie geführten Diskussion Ende des 19. Jahrhunderts vergleichen. Unter diesem Gesichtspunkt sollte die Diskussion seitens der Rechtswissen-schaft mit den Fachreferenten der Hirnforschung aufgenommen und in einem direkten Gespräch auf die problematischen Punkte fokussiert werden. Dabei konnte es entgegen einer verbreiten Intention nicht einfach darum gehen, die Rezeption bzw. Nutzanwendung eines neuen Wissens zu besprechen, sondern es sollten vielmehr die kritische Reflexion der zugrunde liegenden methodologischen Kernfragen betreffend Generierung von  naturgesetz-lichem Allgemeinwissen sowie die Möglichkeiten und Grenzen eines Wissenstransfers in die gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen vorangetrieben werden.

Die zweitätige Fachtagung zeigte allen wohl wider Erwarten, dass das Gespräch trotz konfrontärer Diskuurse in den Sachpunkten auch verblüffende Züge eines zunehmend konvergierenden Dialogs annahm, insofern alle Diskutanten sich als offen und flexibel erwiesen, auch wenn sich diese zentralen Fragen in so kurzer Zeit nicht annähernd ausdiskutieren liessen.

Die Ergebnisse dieser Diskussion werden in der Form der überarbeiteten Referate sowie unter Beteiligung von Statements des Publikums, das mit mehr als 60 Personen teilnahm, als Beiheft des ARSP oder in Form als Buch desselben Verlagshauses vom Editionsteam Marcel Senn und Dániel Puskás Ende des laufenden Jahres herausgegeben werden. Es wäre sehr zu hoffen, dass dieses Gespräch mit den Kollegen fortgesetzt werden könnte und vom etwas stark betonten strafrechtlichen Blickwinkel auf den Bereich des Privat- sowie Handels- und Wirtschaftsrechts noch ausgedehnt werden könnte, zumal sich hier vergleichbare Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Diskussion der „rechtlichen Verantwortung“ unter dem Aspekt der Entscheidungsfreiheit zeigen.

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